Nelly Sachs
Bei ihr glühen Worte heraus, Worte, die nie gesagt wurden, weil ihre Feuerbrunst sich wie blutige Siegel in den Sinn brennen, wie ein nackter Schrei, der sich tief in die Seele bohrt... Vielleicht habe ich deshalb ihre Augen so dunkel gemalt; die Pupille zeigt sich nicht mehr, sie hat zu viel vom Grund und Abrund gehört... Ihre Falten sind aufgebrochen gemalt, gar nicht so klar, sondern so, als würde das, was sich in ihr Gesicht gezeichnet hat, nun als Poesie herausschreiben -sie wird sichtbar oder besser: hörbar, taucht aus dem Dunkel, angedeutet in der linken Schattensäule als kleine Schriftlinien auf. Und wenn das Wort aus der Dunkelheit in das Hörbare tritt, so packt es uns elend an den Nervenenden, verströmt in den großen Bogen Eiseskälte aus der warmen Wunde und bohrt sich in die Stille, die wach für das Nachsinnen ist ... beklemmend und sehnend, liebend und leidend ... tief hinein in den menschlichen Schoß. Sie ist eine großartige Dichterin, vor der ich mich immer wieder tief verneige! Dann glaube ich, es trägt sich im Wort und aus dem Wort her der Sprache eine Bewegung zu, die im Hören die Quelle sucht, die im Sagen fließt und auf geheimnisvolle Weise ein besonderes Tor zur Tiefe und Weite öffnet. Vielleicht ist es das Tor zum Denken... Es ist, glaube ich, weitaus mehr, - manchmal scheint es mir sogar ein Bleiben im Unterwegs zu sein. Welch mächtige Halle ist's doch, wo Anfang und Ende in einem Haus... Dann wird mir ganz schön schwummrig vor soviel schwerem Reichtum... Dann kann dir keiner die Heimat nehmen. Vielleicht war genau das die besondere Kraft der Nelly Sachs... Vielleicht hat das Im- Wort-sein ihre Menschlichkeit auch in den dunkelsten Stunden bewahrt!